Die "Vier Tore und Vierzig Stufen" (dört kapı kırk makam) beschreiben den Weg, den eine Person in Begleitung eines Geistlichen (dede, pir, mürşit) durchläuft, um Selbsterkenntnis zu erlangen. Dieser Geistliche führt sie durch eine Reihe von vier "Toren" (kapı), von denen jede wiederum zehn "Stufen" (makam) beinhaltet. Jedes der vier Tore hat seine Besonderheiten und eigenen Regeln.


1. Die Scharia (Seriat)

2. Der mystische Pfad (Tarikat)

3. Die Erkenntnis des Nächsten (Marifet)

4. Die Wahrheit (Hakikat)

 

Das 1. Tor ist das religiöse Gesetz (şeriat), nicht zu verwechseln mit dem islamischen Gesetz (Scharia) im orthodoxen Islam, wo dieser Begriff weit mehr Äußerlichkeiten umfasst. Es ist das Tor, das das Rechte vom Unrechten trennt. Hier gilt es die religiösen Gesetze zu achten und zu befolgen. Dabei steht der Glaube und der Erwerb von religiösen Kenntnissen im Vordergrund. Es stellt das gesicherte Wissen dar und besteht aus zehn Stufen:

  1. glauben,

  2. lernen,

  3. Gottesdienst verrichten (beten, fasten, Almosen geben),

  4. ehrliches, legales Einkommen haben,

  5. Ausbeutung und Ungerechtigkeit vermeiden,

  6. Frauen achten,

  7. die Ehe suchen (außereheliche Verhältnisse vermeiden),

  8. Fürsorge für andere zeigen,

  9. reine Speisen essen, sich sauber anziehen,

  10. Gutes tun.

 

 

Das 2. Tor ist der mystische Pfad (tarikat). Es steht für den inneren Weg, den ein Suchender auf dem Weg zur Weisheit gehen muss. Es stellt das Wissen um sich selbst dar. Es besteht ebenfalls aus zehn Stufen:

  1. sich dem geistlichen Lehrer (pir) anvertrauen,

  2. sich dem Lernen hingeben,

  3. das äußere Aussehen nicht wichtig nehmen,

  4. geduldig sein,

  5. Achtung haben,

  6. Ehrfurcht haben,

  7. auf Gottes Hilfe hoffen,

  8. sich auf Gottes Weg begeben,

  9. sich in die Gemeinschaft einfügen,

  10. Menschen und Natur lieben.

 

 

Das 3. Tor ist das Tor der Erkenntnis (marifet). Sich selbst erkennen und so Erkenntnis und Vollkommenheit erlangen. Dieses Tor stellt das Wissen um die Wortbedeutungen dar. Die zehn Stufen sind:

  1. Gutes Benehmen und Anstand,

  2. ehrenhaft leben,

  3. geduldig sein,

  4. genügsam sein,

  5. schamhaft sein,

  6. freigiebig sein,

  7. Wissen erwerben,

  8. Harmonie bewahren,

  9. gewissenhaft sein,

  10. Selbsterkenntnis üben.

 

 

Das 4. Tor, das Tor der Wahrheit (hakikat) ist die Selbsterfahrung, das tiefe Wissen um Gott und die Wahrheit. Dieses letzte Tor stellt somit das verinnerlichte Wissen der vorangegangenen Tore dar. Es gilt ebenfalls zehn Stufen zu beschreiten:

  1. bescheiden sein, alle Menschen achten und ehren,

  2. an die Einheit von Allah, Mohammed und Ali glauben,

  3. seine Hände, seine Zunge und seinen Körper unter Kontrolle haben,

  4. allem Geschaffenen gegenüber Liebe zeigen,

  5. Gottvertrauen,

  6. Aussprache/Gespräche suchen,

  7. Erkenntnis erfahren, das Geheimnis lösen,

  8. Einvernehmen mit Göttlichem zeigen,

  9. nachdenken,

  10. Sehnsucht nach Gott niemals aus dem Herzen verlieren.

 

Im Zusammenhang mit der Idee, durch verschiedene Stufen geistlicher Entwicklung gehen zu müssen, um Einheit mit der Wahrheit zu erlangen, steht auch das Konzept der absoluten Ganzheit. Man nennt diesen Vorgang auch "ein vollkommener Mensch" (insan-ı kâmil) werden.